Cytisin (Tabex)
Cytisin ist ein Molekül, das in Osteuropa schon seit mehreren Jahrzehnten als Antitabakmedikament eingesetzt wird. Publikationen über seine Wirkungen wurden seit 1967 veröffentlicht, aber kein Versuch entsprach den aktuellen Normen. Eine erste grosse Studie, die diesen Normen entspricht, zeigt nun, dass Cytisin beim Rauchstopp nützlich ist. Hier Näheres zu diesem Medikament.
Ein seit 40 Jahren beim Rauchstopp benutztes Molekül
Cytisin ist ein Alkaloid, das in allen Pflanzenteilen von Cytisus Laburnum vorkommt, vor allem aber in den Körnern. Seine Wirkung gleicht der des Nikotins. Ausserdem wurden die Blätter von Cytisus Laburnum während dem 2. Weltkrieg als Tabakersatz gebraucht. Die russischen Soldaten nannten diese Pflanze den "falschen Tabak". Im Jahr 1978 identifizierte die Tabakindustrie das Cytisin als die Substanz, welche eine pharmakologische Wirkung hat, die dem Nikotin am ähnlichsten ist. Als Agonist der alpha4beta2 Nikotinrezeptoren wird Cytisin in Osteuropa als Nikotinersatz seit 40 Jahren angewandt. Dieses Molekül wurde unter dem Namen Tabex von einer bulgarischen Firma vermarktet. Seine Vorteile? Die Cytisintabletten können sehr kostengünstig hergestellt werden: So kostet eine Behandlung mit Tabex über 25 Tage in Russland, Polen und Bulgarien 5- bis 15-mal weniger als eine gleichlange Behandlung mit nikotinhaltigen Patchs oder Kaugummis. Ausserdem ist es mit 25 Tagen eine kurze Behandlung. Jede Tablette Tabex enthält 1.5 mg Cytisin. Der Rauchstopp-Kandidat muss die ersten 3 Tage nach dem Rauchstopp 6 Tabletten pro Tag einnehmen und darauf nur noch 2 pro Tag bis zum 25. Tag, bevor die Behandlung beendet wird. Tabex ist bei Personen mit Bluthochdruck oder fortgeschrittener Artherosklerose kontraindiziert. Trotz der vielen Anwendungsjahre in Osteuropa hat Cytisin keine Marktzulassung in Westeuropa und den USA erhalten, da bis vor kurzem keine genügend fundierten Studien existierten.
Die Studien über dieses Molekül
Studien über die Wirksamkeit des Cytisins als Hilfe beim Tabakentzug wurden in Bulgarien, Ost- und Westdeutschland, Polen und Russland seit 1960 durchgeführt. 3 Versuche gegen Plazebo wurden in Ost- und Westdeutschland in den 60er und 70er Jahren gemacht. Diese Arbeiten kamen zum Schluss, dass Cytisin beim Rauchstopp helfen konnte und trotz gewisser Nebenwirkungen (Gewichtszunahme, Kopfweh, Sodbrennen) gut vertragen wurde. Uebelkeit, Schwindel, Durchfall und Verdauungsstörungen wurden auch in gewissen Studien bemerkt, in diesen aber entweder ohne Plazebovergleich oder ohne merklichen Unterschied zum Plazebo. Gewisse Studien zeigen Wirkungen des Cytisins auf den Blutdruck, aber die Zahlen widersprechen sich je nach Studie. Es ist anzumerken, dass die in diesen verschiedenen Studien aufgetretenen Nebenwirkungen nicht die gleichen sind, wie diejenigen, die vom Hersteller von Tabex angegeben werden, d.h. Aenderung des Geschmacks und des Appetits, Trockenheit im Mund, Kopfweh, Reizbarkeit, Jähzorn, Uebelkeit, Verstopfung, Herzflimmern und leichter Anstieg des arteriellen Blutdrucks. Als partieller Agonist des Nikotins weist Cytisin die gleichen Nebenwirkungen auf wie die Nikotinersatzprodukte und Vareniclin.
Dennoch wurden diese Studien alle nicht gemäss den aktuellen Qualitätsnormen der klinischen Studien durchgeführt. Und die präklinischen Studien über die optimale Dosierung wurden nie durchgeführt. Es fehlte also an gross angelegten Studien, um sicherzugehen, dass dieses Medikament den europäischen und amerikanischen Marktzulassungsnormen entspricht. Eine erste grosse Studie wurde kürzlich durchgeführt und ihre Resultate wurden im The New England Journal of Medicine im September 2011 publiziert.
Eine neue Studie zeigt die Wirksamkeit von Cytisin
Englische Wissenschaftler des University College in London haben eine monozentrische Studie über Cytisin durchgeführt, doppelblind und randomisiert mit 740 Teilnehmern, die mehr als 10 Zigaretten pro Tag rauchten. Diese Teilnehmer haben entweder Cytisin (6 Tabletten mit 1.5 mg während 3 Tagen, dann 5 Tabletten während 9 Tagen, 4 Tabletten während 4 Tagen, 3 Tabletten während 4 Tagen, dann 2 Tabletten während den letzten 5 Tagen) oder ein Plazebo während 25 Tagen erhalten. 12 Monate nach der Bahendlung war die Abstinenz bei 8,4% in der Cytisin-Gruppe gegen 2,4% in der Plazebo-Gruppe. Die relative Differenz zwischen den beiden Gruppen (relative Rate = 3.4) ist höher als diejenige, die mit Nikotinersatzprodukten (1.6) oder Vareniclin (2.3) in Studien gegen Plazebo erreicht wurde. Die beobachteten Nebenwirkungen? Oefter gastro-intestinale Störungen (Bauchweh, Uebelkeit, ...), Schwindel und Schlafstörungen in der Cytisin- als in der Plazebo-Gruppe.
Die Wissenschaftler dieser Studie schliessen daraus, dass Cytisin wirklich wirksam beim Rauchstopp ist. Es bleibt noch zu sehen, ob eine längere Behandlung die Zahlen der Tabakabstinenz noch weiter verbessern würde - die Behandlung dauert 8 Wochen im Fall von Nikotinersatzprodukten und 12 Wochen im Fall von Vareniclin - und der Effekt einer Cytisinbehandlung in Kombination mit einer psychologischen Betreuung durch Gesundheitfachpersonen ist zu evaluieren. Andere Studien mit mehr Teilnehmern sollten auch durchgeführt werden, um seltene Nebenwirkungen der Cytisineinnahme zu entdecken, auch wenn die Daten aus den Ländern, wo Cytisin verkauft wird, beruhigend sind. Dennoch wurden negative neuropsychiatrische Wirkungen bei Personen, die Vareniclin einnahmen, gemeldet. Und da Cytisin ein ähnliches Medikament ist, kann man ähnliche Wirkungen erwarten.
Diese ersten Resultate sind dennoch vielversprechend und lassen auf ein wirksames, billiges Antitabak-Medikament hoffen, das für Länder und Personen mit niedrigem und mittlerem Einkommen erschwinglich ist.
Webseite des Herstellers
Bibliographie
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Autor: Anne-Sophie Glover-Bondeau / November 2011